Italien

German Markise meets Italian Unwetter

Regen peitscht gegen die Frontscheibe, die Rücklichter der vor uns fahrenden Autos verschwimmen in der Autobahn-Gischt. Seit zehn Stunden zuckeln wir mit Tempo 110 in Richtung Süden. Während sich unser Wohnmobil über den Brenner quält, werden die Augenlider schwer. Vor uns liegt Italien, vor uns liegen neun Tage Rundreise. Mit Julia und Georg sowie Kerstin und Markus teilen sich zwei Paare einen rollenden Kunststoff-Karton. Endlich erreichen wir die Grenze, nach einer Stunde stellen wir uns einfach auf einen Rastplatz. Unsere erste Nacht im Camper, aber von Urlaubsflair keine Spur: Als wir morgens die Tür öffnen, stehen wir bei den Gemüselastern und Viehtransportern.

 

Doch das Wetter ist klasse. Nach einer Katzenwäsche an einem italienischen Raststätten-Waschbecken brechen wir auf zum Gardasee, dem Campingplatz San Felice del Benaco. Eine prima Anlage, wir bekommen einen Platz direkt am Wasser. Erstmals fahren wir die Markise raus bauen Tisch, Stühle und Grill auf, genießen das erste Urlaubsbier.

 

An diesem Samstagabend wird das Endspiel um den DFB-Pokal zwischen Bayern und Dortmund stattfinden. Eine legendäre Partie, wie wir heute wissen. Also marschieren Markus und Georg los, quatschen frech die deutschen Camper mit Satellitenschüssel an, ob sie abends nicht Lust auf zwei bis vier Gäste haben. Ganz plötzlich interessiert sich kein Deutscher mehr für Fußball. In Wahrheit will niemand die Mittags-Biertrinker im Raststätten-Waschbecken-Look abends in seinem Vorzelt sitzen wissen.

 

Auf geht’s zu unserem ersten Ausflug. Dafür haben wir unsere Fahrräder dabei. Leider treffen drei ungünstige Konstellationen aufeinander.

1. Georg stammt aus dem platten Emsland und fährt so gern Fahrrad wie er Julia beim Putzen der Badezimmer hilft.

2. Die italienische Landschaft ist extrem hügelig.

3. Georgs Fahrrad ist ein Tombola-Gewinn seiner Mutter und schwer wie eine Mofa.

 

So geht’s los. Mit einen Dauer-Fluchen als Begleitmusik radeln wir die Küstenstraße entlang nach Salo. Die Strecke ist schön aber steil. Salo ist schön aber heiß. Wieder daheim bereiten wir das Abendessen. Georg und Markus fahren ins Dorf, um etwas zum Grillen aufzutreiben. Tatsächlich finden sie einen Mini-Fleischer. Der spricht kein Wort Deutsch oder Englisch, per Zeichensprache stellen sie eine leckere Grillplatte zusammen.

 

Am Abend merken wir dann, was wir für einen Volltreffer gelandet haben. Nie zuvor haben wir so ein tolles Steak gegessen. Der Beschluss von Markus und Georg ist rasch gefasst: Ab heute gibt es jeden Abend italienische Steaks. Im Schein unserer Petroleumlampen wird das in der lauen Nacht noch gefeiert, bevor wir in den Camper gehen zum Schlafen. Georg fragt noch: „Wollen wir noch die Markise einfahren?“ Ach was.

 

In der Nacht nimmt das Unheil seinen Lauf. Ein Alpengewitter zieht über uns hinweg. Es kracht draußen so heftig, dass es in unserer Leichtbau-Box nur so rappelt. Als wir am nächsten Morgen die Tür öffnen, bietet sich uns ein Bild des Grauens: Handtücher, Stühle, Lampen liegen kreuz und quer im Dreck verstreut. Das Schlimmste aber: die Markise unseres Mietmobils ist unter Sturm und Regen zusammengesackt, hängt an einer Seite voll durch, ist vollkommen verzogen. Unser Platz erinnert an einen gestrandeten Fischkutter. Georg sieht die eintausend Euro Kaution, die er hinterlegt hat, langsam am Horizont des Gardasees verschwinden. Für den Rest der Reise haben wir damit unser Thema: Jeden Tag versuchen suchen wir, den Schaden zu reparieren. Wir quatschen auf allen Campingplätzen unsere Standnachbarn mit eigenen Wohnmobilen an. Und wir suchen nach Argumenten, um dem Vermieter bei der Rückgabe des Campers zu erklären, dass es eigentlich nicht unsere Schuld ist: „War vorher schon so.“ - „Sieht besser aus als vorher.“ – „Ja, ja, die Italiener...“

 

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