Italien

Italienische Landluft

In der vergangenen Tagen haben wir so viel miteinander gelacht wie selten zuvor im Leben. Nun ist die Stimmung in unserem Camper zum ersten Mal etwas gedrückt. Wir steuern unsere letzte Station in Italien an. Das Gefühl, dass unsere Reise zu Ende geht, ist mit Händen zu greifen. Das Wetter wird zum ersten Mal schlecht. Wir fahren durch die Emilia Romagna in der zwei Tage später die verheerenden Erdbeben beginnen. Eigentlich wollten wir nach Verona. Aber wir sind "stadtsatt" und entscheiden uns, etwas auf der Ostseite des Gardasees zu suchen. Was aber vor allem bedrückend wirkt: Der Moment, an dem wir unserem Camperverleiher den Wagen mit der Schlabber-Markise präsentieren, rückt immer näher.

 

Es bleibt schwierig. Wir möchten in die Weinregion Valpolicella und finden im Internet einen Campingplatz. Nur: Als wir in Valpolicella ankommen und an einer Tankstelle nach dem Weg fragen, hat noch nie jemand von einem Campingplatz gehört. Vorurteil hin oder her, aber es entspinnt sich nun eine typisch italienische Szene. Die sieben Leute in der Tankstelle, die dort entweder arbeiten oder Bier trinken oder beides tun, beginnen sofort wild zu telefonieren. Verwandte und Bekannte werden gefragt, ob sie von diesem Campingplatz im Internet wüssten. Nichts.

 

Tatsächlich bekommt jemand einen Tipp. Er kenne den Namen des Platzes. Der sei aber nicht in Valpolicella, sondern ganz woanders. Es folgt eine Routenbeschreibung auf Italienisch und wir brechen auf. Mit unserem Camper schrauben wir uns über Serpentinen in die Spitze der Berge rund um den Gardasee. Je höher wir kommen, desto dichter der Nebel. Und als wir den Campingplatz erreichen, wird uns klar, warum der sich nicht richtig präsentieren muss. Es ist alles voll mit Dauercampern, die scheinbar seit Jahrzehnten auf ihren festen Plätzen stehen. Wir landen in einer Ecke. Auf dem Platz Mama Lucia herrscht Totenstille. Auch im Ort San Zeno di Montagna ist nix los. Georgs Kommentar: „Hier möchte ich nicht tot über'm Zaun hängen.“

 

Und dennoch wird es ein toller Nachmittag. Als wir auf einer Cafe-Terrasse sitzen, bricht die Sonne durch. Wir sind so hoch, dass wir einen Panoramablick über den gesamten Gardasee genießen können. Dabei probieren wir Valpolicella Superiore Weine, mit denen wir uns am nächsten Tag im Supermarkt kistenweise eindecken.

 

Am späten Nachmittag machen auch die Läden wieder auf. Wir bekommen noch einmal das volle Italien-Feeling. Zuerst gehen wir in einen Käseladen. Der Laden atmet den Charme von Tante Emma aus den 50er Jahren. Es gibt nichts außer einer kleinen Käsetheke mit drei verschiedenen Sorten. Die Käselaibe liegen da verstreut wie alte Keksdosen auf einem Flohmarktstand. Die beiden Verkäuferinnen sprechen kein Wort deutsch oder englisch, wollen aber gern unsere deutschen Wörter verstehen. So geben wir gemeinsam einen Crashkurs der wichtigsten deutschen Käsebegriffe, bei dem sich die Italienerinnen mit ihren weißen Kitteln und Kopfhauben vor Lachen fast in die Ecke werfen. Schließlich kaufen wir außerordentlich guten Käse, der in Deutschland ein Vermögen gekostet hätte. Hier bezahlen wir nicht einmal fünf Euro.

 

Am Abend gehen wir zu einem Bauernhof, der sich gerade touristisch umgebaut wird. Agricultra lautet das Zauberwort. Stolz zeigt uns der ehemalige Bauer, was er schon umgebaut hat und was er noch vorhat. Seine Frau ist für das Restaurant zuständig. Mit Gästen hat sie aber nicht gerechnet. Egal, rasch zaubert sie ein Vier-Gänge-Menü für jeden, für das wir noch nicht einmal zehn Euro bezahlen. Irgendwie sind wir peinlich berührt, so dass wir noch eine Literflasche selbst hergestelltes Olivenöl kaufen. Zum ersten Mal fühlen wir uns nicht wie Touristen, sondern wie Gäste.

 

Am nächsten Tag beginnt die Rückreise, 800 Kilometer bei Tempo 110 nach Hause. Wir lassen es ruhig angehen, frühstücken in Ruhe und zuckeln los. Die Fahrt zieht sich in die Länge. An diesem Tag findet das Endspiel der Champions League zwischen Bayern und Chelsea statt. Kurz vor Anpfiff steuern wir eine Raststätte irgendwo in Hessen an, um das Spiel zu sehen. Wir können nicht alle Fußballspiele verpassen. Die Frauen sind weniger begeistert. Noch weniger, als das Spiel in die Verlängerung geht, und am allerwenigsten, als auch noch das Elfmeterschießen folgt. Als die Bayern das auch noch versemmeln, hat keiner mehr gute Laune.

 

Inzwischen ist Mitternacht, wir müssen noch nach Hause. Georg hält durch und steuert uns sicher zurück nach Isernhagen, wo wir gegen drei Uhr ankommen. Uns bleiben vier Stunden Schlaf, dann müssen wir alles ausräumen, saubermachen und den Camper spätestens um 10 Uhr wie neu zur Abnahme auf den Hof stellen. Mit allen erreichbaren Werkzeugen startet Georg das Unterfangen „Rettung der Kaution“. Es gelingt tatsächlich, die Konstruktion der Markise weiter zu stabilisieren. Den Eindruck eines traurigen Obststands auf einem sizilianischen Wochenmarkt kann das Gesamtbild dennoch nicht ganz abstreifen.

 

Schließlich die Übergabe. Während die Frauen vorab innen alles geschrubbt haben, wienern Georg und Markus dort den Camper von außen noch blitzeblank. Anschließend geht der Verleiher einmal um den Wagen, guckt innen in die Schränke. Alles okay. Das war’s. Tschüss. Worüber habe wir uns eine Woche lang Gedanken gemacht?