USA

Canyon-Hopping, the last

Gern wären wir noch einen Tag in Kernsville geblieben. Obwohl wir in dreieinhalb Wochen USA schon viel gesehen haben, brachte dieser Ort in den Bergen wieder ein eigenes, neues Gesicht. In einem Umkreis von 100 Meilen ist keine andere Stadt zu finden, so dass sich über die Jahrhunderte auch in Kernsville ein eigener Menschenschlag herausgebildet hat. Der örtliche Supermarkt ist ein großer, hölzerner Schuppen. Darin gibt es im Wesentlichen den Bedarf für Farmer und Angler. Die Leute, denen wir begegnen, kommen dem Klischee des Cowboys am nächsten. Rustikale Typen, die sich auch noch ein monströses Steak aus der Fleischtheke geben lassen.

 

Auch unsere Übernachtung in Kernville war rustikal. Wir standen direkt am Ufer des Sees, haben den Gaskocher auf die Kühlbox gestellt und uns noch etwas gebrutzelt. Direkt neben uns angelt eine Familie die gesamte Nacht hindurch. Weiter hinten machen Jugendliche eine Party. Um 22 Uhr ist alles still und längst stockdunkel.

 

Nun sind wir längst auf dem Weg Richtung Norden. Die Leute aus dem Rafting-Boot haben uns die Strecke durch die Berge empfohlen. Es sei so schön dort. Doch von der Schönheit bekommen wir nicht viel mit. Die Serpentinen sind derart steil und eng, dass Kerstin übel wird. Wir kommen nicht voran, der Reifen hat keine Luft mehr, der Tank ist bald leer und wir haben keine Ahnung, wann der nächste Ort mit einer Tankstelle kommt.

 

Schließlich erreichen wir mit letzter Kraft Dulano. Es ist das Zentrum des Anbaus von Zitrusfrüchten. Meilenweit fahren wir mitten durch die grünen Felder. An der Tankstelle sehen wir ausschließlich Mexikaner, die Erntearbeiter. Am Abend erreichen wir Three Rivers, unser Ziel. Von der Landschaft sehen wir leider nichts mehr in der Dunkelheit. Wir haben unsere Zeit in den Bergen vertrödelt.  

 

Am nächsten Tag geht’s über den Kings Canyon Nationalpark zum Sequoia Nationalpark und schließlich weiter zum Yosemite Nationalpark. Der Reihe nach: Im Kings Canyon schrauben wir uns durch dichtes Waldgebiet den Berg hinauf. Die schöne Aussicht können wir für eine Stunde in Ruhe genießen. Unverhofft, denn solange warten wir an einer Bastelle, bis es weiter geht.

 

Der Sequoia Nationalpark beginnt mit einem kleinen Erlebnis: An einem Waldhang sehen wir für einen kurzen Moment einen kleinen Bären. Kerstin versucht, rasch ein Foto zu schießen, doch da ist er schon längst wieder verschwunden.

 

Im Sequoia Park sind wir wegen der Sequoia-Bäume. Schon während der Fahrt fallen uns links und rechts der Straße unglaublich breite Baumstämme auf, deren Kronen scheinbar das Himmelszelt stützen. Die Attraktion ist schließlich der General Sherman Tree, der größte Baum der Welt. Er hat allein einen Durchmesser von 13 Metern. Ein absolutes Naturwunder.

 

Schließlich erreichen wir den Yosemite Park. Der Park ist wieder ein weites Tal inmitten einer gewaltigen Berglandschaft. Unser Stellplatz liegt wieder unmittelbar am Fluss. Es ist ein Traum.

 

Yosemite ist Bären-Gebiet. Schilder warnen überall, dass wir uns in Acht nehmen sollen. An jeden Stellplatz gibt es Bärenboxen, in denen nachts alles zu verschließen ist, das auch nur entfernt nach Essen oder Parfüm riecht. Wer Lebensmittel im Auto oder im Zelt liegen lässt, setzt sich der Gefahr aus, ungebetenen Besuch zu bekommen.

 

Aus meiner Sicht ist das wieder die übertriebene amerikanische Vorsichts-Mentalität. Kerstin nimmt das naturgemäß sehr ernst und schließt alles fein weg. Ich mache darüber meine Späßchen. Am wir am zweiten Abend an unserem Tisch sitzen, kommt ein Ranger mit der Taschenlampe aus uns zu und sagt: Gestern sind hier Bären unterwegs gewesen. Ob wir sie auch gesehen hätten…

 

Natürlich nehmen wir uns für den zweiten Tag eine knackige Bergtour vor. Unser Ziel ist ein Wasserfall, der sich aus 2.000 Metern Höhe in den Abgrund stürzt. Wir wollen hoch zum Mundloch. Der Weg ist steil und uneben. Das obere Plateau belohnt uns aber. Die Aussicht ist grandios. Wir sehen, wie sich der Fluss über die Steilkante im Nichts verschwindet. Bevor es soweit ist, bildet der Strom zwei kleine Bassins. Mit uns lassen auch ein halbes Dutzend weiterer Wanderer die verschwitzten Sachen in der Sonne trocknen und ruhen sich dort aus.

 

Das Wasser des Gebirgsflusses ist eiskalt. Wenn man die Füße ins Wasser hält, ziehen sie sich regelrecht zusammen. Kerstin macht das nichts: Schwupps, mit einem Kopfsprung ist sie im Wasser. Dass eine Frau sich in das kalte Wasser traut, können die anderen Bergsteiger nicht auf sich sitzen lassen. Einer nach dem anderen fühlt sich berufen, sich zu überwinden und ebenfalls in kalte Wasser zu springen. Am Ende bleibt auch mir nichts anderes übrig.

 

Am Abend grillen wir letztmals Marshmellows. Unsere Technik ist mittlerweile perfekt: In eine Marshmellow-Mulde stecken wir ein Stückchen Schokolade, das dann über dem Feuer schmilzt und warm gegessen wird. Es ist unsere letzte Nacht auf einem Campingplatz.

 

Das letzte Ziel der Tour, bevor wir nach San Francisco zurück fahren, ist der Lake Tahoe. Die Fahrt dahin ist ein Erlebnis. Die Strecke führt über einen Bergpass, der im Winter gesperrt ist. Knapp 3.000 Meter sind wir hoch. Waren wir noch vor drei Tagen im Death Valley an einem der heißesten Flecken dieser Erde, so ist hier der Schnee in den Hängen zum Greifen nah.

 

Der Lake Tahoe bildet die Grenze von Nevada zu Kalifornien. Das führt dazu, dass auf der Staatsgrenze zwei Hotelkomplexe stehen, in denen das Glücksspiel-Gesetz von Nevada gilt. Eine Einladung an alle Kalifornier. Entsprechend ist das Untergeschoss wieder eine einzige Spielhalle. Ringeding. Büdeledüt. Der Ort, der durch eine vielbefahrene, vierspurige Straße zerrissen wird, ist eher auf Wintersport in den Bergen ausgelegt. Wir haben in leckeres Abendessen, ein großes Hotelzimmer mit zwei Doppelbetten und zwei Bädern, doch so recht hat sich der Weg zum Lake Tahoe eigentlich nicht gelohnt.

 

Am morgen geht’s früh raus. Der Mietwagen muss spätestens um 13 Uhr am Flughafen San Francisco abgegeben werden. Vorher wollen wir unser Gepäck bei Marina und Matt deponieren, wo wir den letzten Abend übernachten. Trotz Rushhour schaffen wir es ohne Stau durch Sacramento und schließlich nach San Francisco.

 

Marina und Matt wohnen in Pazifica, einer Vorstadt von San Francisco. Hier erleben wir noch ein abschließendes Naturschauspiel. Die Stadt klebt an einem Berghang und lässt die Wolken nicht ins Landesinnere. Die Folge: Der Ort liegt permanent in einer Wolke. Nur drei Monte im Jahr ist es dort nicht nebelig.

 

Wir erleben noch einen schönen letzten Abend mit dem Brautpaar. Matt zeigt uns seine Schule und seinen Klassenraum, in dem wir noch etwas rumblödeln. Zu Tag gehört auch, dass wir 1.400 Hochzeitsbilder durchsehen. Für einen Mann kann das ähnlich anstrengend sein wie eine Bergtour.

 

Am nächsten Morgen dann Abflug. Bis zum Schluss gibt es keine Pannen oder Unfälle, alles lief wie geplant. Wir sind dankbar dafür. Als wir abheben, schwirrt der Kopf voller Eindrücke und Erinnerungen. Es war eine Reise, die innere Einstellungen verändert hat, die unsere Welt mit ihren Zusammenhängen fassbarer gemacht hat, die Spaß gemacht hat, die wir teilweise erlebt haben wie im Rausch. Schöner geht es nicht.

 

Der erste Leser, der es tatsächlich geschafft hat, bis zum Ende durchzuhalten, und sich bei uns meldet, wird von uns mit Begleitung zum Essen eingeladen.