USA

In's Nichts

Die Abreise aus Huntington Beach gestaltet sich schwieriger als erwartet. Das Wirrwarr aus Highways im Großraum L.A. deckt sich nicht immer mit der Karte. Wir fahren einfach nach Himmelsrichtung und verlassen die Stadt mit gemischten Gefühlen. Es war interessant, die Stadt, die jedem Menschen ein Begriff ist, selber einmal erlebt zu haben. In Erinnerung bleibt, dass es wenig authentisch war, alles gemacht und künstlich wie in einer einzigen großen Filmkulisse.

 

Wir lassen den Pazifik hinter uns und steuern ins Landesinnere zum Grand Canyon. Knapp drei Tage werden wir brauchen, um dort anzukommen. Waren wir eben noch in einer Großstadt, ändert sich das Bild innerhalb einer halben Stunde radikal. Die Straßen werden enger, der Verkehr nimmt ab, die Temperaturen steigen, links und rechts der Straße nur noch Wüste und Steppe.

 

Diese Leere sollte eine der intensivsten Eindrücke unserer Reise werden. Auch später passiert es immer wieder, dass wir über Stunden, Tage nichts sehen außer Sträucher und Berge – soweit das Auge reicht. Wir bekommen ein Gefühl für die unglaubliche Weite eines Landes, von dem wir nur einen mikroskopischen Teil durchqueren. Diese Weite macht einen selber so unbedeutend, dass sich ein Gefühl von Demut einstellt, es entsteht Raum für Selbstbesinnung.

 

Jedes Auto, das uns entgegenkommt, jeder Truck, den wir überholen, ist ein Erlebnis. Kein Lebewesen. Schilder kündigen den nächsten Rastplatz in 100 Meilen an. Alles in einem Tempo von maximal erlaubten 70 Meilen je Stunde. Wir sind Weltreisende in Zeitlupe. Das Highlight des ersten Tages ist ein Güterzug. Er zuckelt irgendwo durch die Steppe und ist so viele Kilometer lang, dass er von vier Dieselloks gezogen werden muss.

 

Auf den etwa 700 Kilometern des ersten Tages gönnen wir uns zwei Stopps. Zuerst besuchen wir ein Outlet, das wie eine Fata Morgana plötzlich inmitten in der Wüste auftaucht. Der zweite Halt gilt der Geisterstadt Calico. Die ehemalige Minenarbeiterstadt liegt inmitten der Mojave-Wüste und wurde behutsam im Stil der 1870’er Jahre aufgebaut. Es fühlt sich gar nicht an wie Disney World, vielmehr gibt die Geisterstadt einen Einblick in das Leben im Wilden Westen. Die Hitze macht uns zu schaffen. Es bleibt für uns unvorstellbar, wie Menschen hier vor 150 Jahren leben – oder besser – überleben konnten.

 

Je weiter wir ins Landesinnere fahren, desto weiter klettert die Temperatur nach oben. Abends erreichen wir Needles. Der Ort im Nirgendwo besteht im Wesentlichen aus Motels. Irgendwann muss schließlich jeder einmal anhalten. Immerhin führt die Route 66 durch Needles. Als wir den Ort gegen 18 Uhr erreichen, müssen wir zuerst tanken. Als ich aussteige, schlägt mir ein heißer, trockener Wind entgegen, den ich so noch nie gefühlt habe. Dazu die dürre, trostlose Umgebung. Auf eine Frage finde ich keine Antwort: Was bringt Menschen dazu, hier zu leben?

 

Abends essen wir bei Denny’s Diner. Zuerst denken wir, es handele sich um eine beliebige Fast Food Kette, sind dann aber angenehm überrascht. Die Auswahl ist breit, das Essen gut. Das Motel hingegen ist eine typische Durchgangsstation. Abends rein, morgens weg.  

 

Auf geht’s zum zweiten Zwischenstopp Flagstaff. Am frühen Nachmittag kommen wir an und haben Zeit, das ländliche Städtchen kennen zu lernen. Besonders das Zentrum lohnt sich. Es hat den rustikalen Stil der 20er Jahre bewahrt. In den Läden gibt es Second Hand Klamotten oder einen ordentlichen Pferdesattel. Irgendwie ist es hier natürlich geblieben, auch etwas verschlafen. Der Beweis dafür: Es gibt hier keinen Starbucks-Laden. Damit sind die USA zugepflastert. Noch in Los Angeles haben wir die Starbucks-Läden an wirklich jeder Ecke gesehen. Es war schon penetrant. Flagstaff aber hat die Kaffee-Kette irgendwie vergessen.

 

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