Vietnam

Halong mal einsam

Am Abend die Rückfahrt im Nachtzug von LaCoi nach Hanoi. Kerstin graut es vor der nächsten Nacht ohne Schlaf in einem rumpeligen Holzkasten. Doch wir haben Glück. Damit wir die Vier-Personen-Kabine nicht mit zwei Fremden teilen müssen, hatte Kerstin das gesamte Abteil für uns gebucht. Kurz vor der Abreise können wir unsere vier Tickets mit einer Gruppe gegen Tickets eines Luxus-Doppelabteils tauschen. In der Tat ist die Schlafkabine etwas ansprechender gestaltet und die Betten sind diesmal so groß, dass wir uns auch darin drehen können. Unverhofft rumpeln wir als Passagiere der asiatisch-kommunistischen Business Class zurück nach Hanoi.

 

Um 3.45 Uhr scheppert's an der Abteiltür. Wir sind wieder ordentlich durchgeschüttelt worden. Das Schienensystem Vietnams stammt noch aus der französischen Kolonialzeit. Wir zuckeln in den Bahnhof von Hanoi ein, räumen unser Luxusabteil und schleppen unser Gepäck zum Restaurant neben dem Bahnhof, wo es laut Reiseagentur rund um die Uhr Kaffee und ab 6 Uhr Frühstück geben soll. Aber es ist dunkel und geschlossen; mitten im Lokal schläft ein Mitarbeiter auf einigen Stühlen, die er sich zusammengeschoben hat.

 

Derweil machen wir eine Beobachtung: Die Vietnamesen sind ein freundliches Volk. Sie wissen, dass die Menschen aus westlichen Staaten Weihnachten irgendwie gut finden. Also schreiben viele Hotels und Restaurants in dicken Lettern "Merry Chrismas" an ihre Scheiben. Dort prangt es das gesamte Jahr. Drinnen blinken die Kränze und leuchten die Sterne. Einmal sehen wir gar einen Ganzjahres-Weihnachtsbaum.

 

Vor der Tür erleben wir, wie Hanoi erwacht. Markus schreibt diese Zeilen in den Tablet, bis uns schließlich unser Guide samt Fahrer abholen. Wir brechen auf zur Halong-Bucht und lernen den Straßenverkehr Vietnams kennen. Dieses Erlebnis kann jeder Reiseveranstalter als eigenen Punkt in das Programm aufnehmen. In Vietnam gibt es eine stille Übereinkunft, dass Rechtsverkehr herrscht. Alles Weitere bleibt offen. Das bedeutet, jeder fährt, wie er will. In eine Kreuzung brettern erst einmal alle hinein, im Schritttempo wird man sich dann schon einig. Hupen nicht vergessen. Wir werden rechts und links gleichzeitig überholt, nicht selten kommt uns auf unserer Fahrbahn ein Moped entgegen. Jeder Überholvorgang führt zu einem Beinahe-Unfall. Höchstgeschwindigkeit ist 80 km/h. Mehr lassen die Straßen auch nicht zu. Je größer das Fahrzeug, desto mehr Vorrechte genießt es. Radfahrer sind gar nichts wert. Es gibt auch Ampeln und Zebrastreifen. Aber wofür nur? Bei der Planung unserer Reise hatten wir überlegt, ein Auto zu mieten, und einige Abschnitte selbst zu fahren. Doch Ausländer dürfen in Vietnam kein Auto mieten. Das haben wir zuerst nicht verstanden. Jetzt schon.

 

Unser Ziel ist ein südlicher Zipfel der Halong-Bucht, der touristisch noch nicht so erschlossen ist. Das ist immer gut, wenn es um das Mittagessen geht. In der kleinen Hafenstadt gibt es frischen Oktopus. Aber es ist immer schlecht, wenn es um die Hygiene einer Toilette geht.

 

Wir nähern uns der ersten Enttäuschung unserer Tour. Für den Auftakt in der Halong Bucht haben wir ein Hotel auf der Insel Quan Lan gebucht. Da müssen wir mit dem Speedboot hin. Als wir die Tickets für die Hin- und Rückfahrt kaufen wollen, bekommen wir nur die Hinfahrt. Grund: Es sei noch nicht klar, ob morgen früh überhaupt ein Boot zurückfährt. Na prima, denken wir, wir brauchen den Rücktransfer, um unsere Tour auf dem nächsten Schiff fortsetzen zu können. Uns bleibt nichts anderes übrig, als zu fahren, schließlich haben wir dort unsere Unterkunft, die auch bezahlt ist.

 

Am Hafen von Minh Chau geht's mit dem TukTuk, eine Art Moped-Bus, zum Hotel. Als wir dort ankommen, haben wir dringenden Bedarf, unsere Rückreise zu klären. Nur: Im gesamten Hotel spricht niemand auch nur eine Silbe Englisch. Nothing. Kerstin wird ein Telefon in die Hand gedrückt und eine Verbindung mit einem englisch sprechenden Manager hergestellt, wo auch immer der sein mochte. Der hilft uns aber auch nicht weiter, seine Antwort: Er wisse auch nicht, ob ein Schiff fahre. Zumindest bestellt er uns für 6.15 Uhr ein TukTuk zurück zum Hafen. Die Insel ist ansonsten ausgestorben, wir haben drei Kilometer feinsten Sandstrand für uns allein. Wir sind die einzigen Touristen auf der gesamten Insel, die Einheimischen starren uns neugierig an, winken und grüßen freundlich. Unser Zimmer erinnert an die Urlaubsinitiative Kraft durch Freude. Strom wird erst um 17.30 Uhr angestellt, für vier Stunden. Die Klimaanlage im Zimmer funktioniert nicht, an W-Lan nicht zu denken. Zwischenzeitlich werden wir im ansonsten schönen Hof von Mücken zerstochen. Mit dem Strom springt auch der Fernseher im Hof an. Live übertragen und vietnamesisch kommentiert wird das Bundesligaspiel Eintracht Frankfurt gegen Hannover 96.

 

Auf das Abendessen verzichten gern. Frühstück bekommen wir auch nicht, da wir bereits um 6 Uhr morgens abreisen werden. Restaurants gibt es nicht. Der pragmatische Vorschlag des Telefon-Hotelmanagers: "Frühstückt doch, wenn wir wieder auf dem Festland seid."

Am nächsten morgen stehen wir wie bestellt und nicht abgeholt vor dem Hotel und warten auf das TukTuk. Nach einigen bangen Minuten Verspätung kommt es tatsächlich angeknattert und schüttelt uns auf einem Holperpfad zum Bootsanleger. Auch das Speedboot kommt und bringt uns zurück zum Hafen. Das wäre geschafft. Zur Belohnung gönnen wir uns eine Nudelsuppe mit Huhn zu Frühstück, und essen genau dort, wo die Hafenarbeiter sich auch verpflegen. Alles prima, dazu gibt es einen frisch gepressten Orangensaft, der besser nicht schmecken kann. Wir lernen auch vietnamesischen Kaffee mit Sweet Milk kennen, der allerorten angeboten wird. Bei der Milch handelt es sich eher um einen Eiweißsirup, auf dem der Kaffee im Glas förmlich steht. Milch und Milchprodukte sind teuer in Vietnam, da sie importiert werden müssen. Auf diese Spezialität haben wir bis zum Ende der Reise gern verzichtet.

 

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