In den Bergen von Santiago

Wir starten das Inselhopping und fliegen früh von Boa Vista nach Santiago. Unser Ziel sind die Berge im Herzen der Insel. Als Zwischenziel übernachten wir in Cidade Velha. Vor langer Zeit war es die Hauptstadt der Insel. Ein Städtchen, dicht bebaut mit historischen Häusern, überragt von einer alten Festung, Unesco Weltkulturerbe. Bis Ende des 16. Jahrhunderts war der Ort das Zentrum des atlantischen Sklavenhandels. Unsere Unterkunft liegt abseits an einem Hang mit Pool. Wir erklimmen die Festung, erkunden den Ort und lassen uns treiben. Auf dem zentralen Platz beobachten wir, wie die Einwohner von der Arbeit kommen, ihre angeketteten Äffchen füttern, auf dem Platz etwas tauschen oder kaufen. Abends essen wir am Meer, bevor wir in einem sehr aufgeheizten Raum schlafen gehen.

 

Am Morgen geht’s mit unserem Fahrer in die Berge. Es geht hunderte Höhenmeter steil bergauf in eine andere Welt. Oben angekommen im Hotel Quinta Montanha blicken wir von unserem Appartement auf die Bergketten, die uns umgeben. Die Passatwolken ziehen an uns vorbei und bringen etwas Feuchtigkeit mit. Es sind 23 Grad. Nach den ersten Tagen in der Hitze kommt es uns plötzlich seltsam kühl vor. Wir ziehen uns warm an.

  

An dieser Station lernen wir das Leben in den Bergen kennen. Wir erreichen Montanha gegen Ende der Trockenzeit. Im Ort gibt es keine natürlichen Wasservorkommen. Mit Wasserkanistern von der Größe einer Regentonne bepackt quälen sich Esel Tag für Tag über schmale, steile Pfade aus dem Tal nach oben. Es gibt aber auch eine kleine Leitung, die nach oben führt. Die Leitung bietet nur Anschluss für zwei Gebäude. Unser Hotel und das Wochenendhaus eines Politikers.

Alle Häuser stehen offen. Es gibt meist einen Raum, möbliert mit einem Holztisch und zwei Stühlen, drum herum nackte Wände, nackter Boden, nackte Decke. Auch das Leben ist karg. Die Einwohner bereiten sich auf die Regenzeit vor und pflanzen Mais und Bohnen an. In Deutschland kennen wir Felder mit Monokulturen soweit das Auge reicht. Hier gibt es keine fünf Quadratmeter ebene Fläche, nur Berghänge. Die Menschen legen rund um die Hänge kleine Terrassen an, vielleicht einen Meter breit. Das sind hier die Äcker und Wiesen.

 

Es gibt einen Bergrücken, in dem die Wolken hängenbleiben. Er ist grün. Mit einem Guide unternehmen wir eine Wanderung durch den grünen Hang ins Tal. Der Guide erzählt uns, dass die Regenzeit immer unregelmäßiger kommt, dass die Unwetter zunehmen. Die Menschen bekommen Probleme mit den Ernten. Das über Jahrhunderte eingeschwungene Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur gerät aus den Fugen. Trockenheit greift immer weiter um sich. Hier fordert der Klimawandel seinen Tribut. Seine ersten Opfer sind die Ärmsten, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen.

 

Exkurs II: Wasser

Wir sind in den ersten Monaten des Kriegs in der Ukraine auf den Kapverden. Daheim machen wir uns sorgen, ob wir genug Energie haben, um durch den Winter zu kommen. Doch die Kapverden zeigen uns, was wirklich wichtig ist: Wasser. Wasser ist Leben, kein Wasser ist der Tod. Wir sind in Gebieten, in denen es seit drei Jahren nicht geregnet hat. Außer Dürre und Ödnis siehst du nichts. Aber du hörst deutlich, wie der Landstrich dir zuruft: „Geh‘ weg von hier. Du hast keine Chance, hier zu überleben.“ Entsprechend sorgsam gehen die Menschen mit Wasser um. Ein Hotel hat einen Garten mit Erdbeeren. Wir sehen, wie morgens jede Pflanze einzeln und gezielt gegossen wird. Kaum ein Zimmer ohne Schild am Waschbecken, das darum bittet, während des Einschäumens der Hände das Wasser abzudrehen. In den Duschen steht ein Eimer. Der erste Liter noch kaltes Duschwasser wird darin aufgefangen. Der Eimer kommt dann z.B. zur Toilette. Wenn das Wasser wegen Knappheit wieder abgestellt ist, kann man wenigstens damit spülen. Die Wände in Restaurants schmücken Fantasie-Bilder, die einfach nur sattgrüne Landschaften zeigen. Sehnsuchtsorte. Fremd für Touristen, die es gewohnt sind, sich unter der Dusche noch die Zähne zu putzen.

 

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